Mutmachgeschichten:
Geschichten aus dem Publikum
vom Aktivwerden gegen Diskriminierung

Hinweis:

Wir haben die Geschichten redaktionell in Hinblick auf Rechtschreibung, Verständlichkeit sowie die Wortwahl bzw. die Inhalte bearbeitet. Dabei haben wir darauf geachtet, möglichst auf diskriminierende Sprache zu verzichten und Reproduktionen zu vermeiden. Wenige Geschichten haben wir nicht veröffentlicht, da es sich bei ihnen nicht um Geschichten des Aktivwerdens handelte oder sie eine einseitige Botschaft enthielten.

Wichtig ist nicht so sehr, was gemacht oder gesagt wird, sondern am wichtigsten ist, dass überhaupt etwas geschieht. Wenn nichts geschieht, entsteht das Bild, dass das Geschehene niemanden stört, dass es für alle normal und ok ist, außer für die diskriminierte Person. Die sich folgend fragen wird, was an ihr falsch ist, und die Schuld auf sich nehmen wird. Wichtig ist es, zu signalisieren, dass nicht alle im Raum einverstanden sind mit dem Gesagten oder Geschehenen. Vielen fällt es schwer, z. B. in einem Bus einzugreifen. Viele haben Angst oder sagen nichts, weil sie keine schlagfertige Antwort parat haben. Mir ist irgendwann bewusst geworden, dass es schon reicht, ein ablehnendes Geräusch zu machen. Dann entsteht eine Irritation und eine Pause, in der man noch etwas nachschieben kann. Ich habe dann oft gesagt „Ich will sowas nicht hören!“ und „Das stimmt nicht!“ oder „Das ist diskriminierend!“. Häufig haben sich in dem Moment weitere Anwesende eingeschaltet und auch etwas dagegen gesagt. Oft braucht es nur einen kleinen Anfang, ein Signal für alle: Nicht alle sind hier einverstanden. Das ist nicht ok.

Ich bin Pädagogin of Color in einer Kinderkrippe. Als ich dort anfing, fiel mir auf, dass ein Kinderlied gesungen wurde, in welchem die rassistische Fremdbezeichnung für indigene Menschen und Gemeinschaften verwendet wird. Als Erstes sprach ich es in meinem Kleinteam an. Ich hatte das Gefühl, dass ich ein Tabu-Thema angesprochen habe und meine Kolleg*innen es eher so empfanden, dass ich ihnen den Begriff verbieten wollte. Weil das Lied bzw. die rassistische Fremdbezeichnung durch verschiedene Weisen überall in der Einrichtung verbreitet ist, habe ich das Thema versucht im Großteam zu platzieren. Das hat nicht funktioniert, weil ich keinen Zugang zu diesem Meeting hatte. Also bin ich mit meinem Anliegen zu meinen Chefinnen gegangen. Alleine bis dahin hat es mich viele Ressourcen gekostet – die eigentliche Arbeit hatte noch gar nicht angefangen! Immer wieder wurde mir entgegengesetzt, dass dieser Begriff für sie sehr positiv besetzt ist. Es ist unglaublich schwer, diese Zentrierung und Deutungshoheit von Nicht-Betroffenen sichtbar zu machen und anzuerkennen, um dagegen vorzugehen. Es hat viele, wirklich viele Anläufe und Diskussionen gebraucht, um überhaupt erst mal über den eigentlichen Gegenstand des Problems zu sprechen. Dafür habe ich viele Stunden unbezahlte Bildungsarbeit geleistet. Und der Fakt, dass ich selbst rassistisch markiert werde, hat mein Wissen und meine Kompetenzen herabgestuft bzw. unsichtbar gemacht. Obwohl ich alle erdenklichen Materialien vorgestellt habe, musste erst die unsägliche Nachricht aus Kanada über das Kindermassengrab im deutschen Mainstream gesendet werden, damit mein Anliegen Legitimität bekommt. Es ist ein unfassbar aufreibender, ermüdender und entmenschlichender Kampf im Alltag, aber zu wissen, dass es noch andere Menschen gibt, die sich auch Tag für Tag einsetzen, gibt mir Kraft und Zuversicht! Ich nehme mir jedenfalls vor, immer schonungslos und unbequem zu bleiben! Denn nur wenn es immer und immer wieder zur Sprache gebracht wird, kann es reflektiert, anerkannt und verbannt werden! Danke, dass es euch gibt! Durch euch habe ich eine gute Grundlage, Ungerechtigkeiten im beruflichen Kontext besser, vor allem selbstbewusster entgegenzutreten!

Ich lese gemeinsam mit meinem 4-jährigen Sohn viele vorurteilsbewusste Kinderbücher. Ich merke dabei mehr und mehr, dass die Erfahrungen in den Büchern sein Denken, sein Verhalten und sein Spiel beeinflussen. Zum Beispiel bilden seine Playmobilfiguren oft eine Regenbogenfamilie und er ist hinsichtlich seiner Identifikationsfiguren sehr frei und nicht festgelegt. Er liebt pink und trägt gerne Kleider und Röcke, empfindet sich deshalb aber nicht als „anders“ als die anderen Kinder. Als neulich sein Freund meinte: „Gell A., Jungs haben keine Kleider?“, meinte mein Sohn ganz selbstbewusst: „Doch klar, ich hab auch ein Kleid zu Hause“. Daraufhin meinte sein Freund: „Achso, ja hm klar, ich hab auch ein Kleid daheim!“.

Meine Tochter (14) geht nicht ohne das Grundgesetz aus dem Haus. Immer wenn sie das Gefühl hat, dass in einer Situation jemand benachteiligt wird, meldet sie sich zu Wort und zitiert die passende Stelle im Grundgesetz. Sie hat das auch schon Polizist*innen vorgelesen. Sie macht das eigenständig, auch wenn sie sicher von ihrer Mutter, die Pädagogin ist, von Beginn an dafür sensibilisiert wurde.

In Schulklassen in Grundschulen und der Sekundarstufe erlebe ich immer wieder, dass die Kinder und Jugendlichen sich gegenseitig mit „schwul“, „behindert“ und weiteren, oft auf Herkunft bezogenen Wörtern beleidigen. Ich frage dann meist „Was heißt denn behindert?“ oder „Was heißt denn schwul?“ Dann definieren wir die Wörter erstmal zusammen. Weiter frage ich, wer Personen kennt, die beHindert werden oder homosexuell sind. Oder ich frage sie, ob sie es gut finden, dass laut Gesetz niemand benachteiligt werden darf, aufgrund von BeHinderung, sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Identität, Herkunft, Hautfarbe, Religion usw. Oder wir sprechen über die Macht von Wörtern, und was das mit allen Menschen im Raum macht, wenn diskriminierende Äußerungen fallen. Wir sprechen darüber, warum die Beleidigten oft mitlachen, obwohl sie gar nicht wollen. Alleine durch die Frage, und die Unterbrechung des Geschehens durch die Frage, wird deutlich, dass das nicht okay und normal ist, und es entstehen tiefgreifende Gespräche über Diskriminierung.

Als Fachberatung habe ich in einer Einrichtung ein Schild gesehen, auf dem Kinder aufgelistet wurden, deren Eltern das Essensgeld nicht fristgerecht gezahlt hatten. Ich habe die pädagogischen Fachkräfte darauf angesprochen. In dem Gespräch bemerkte ich, dass es ihnen unangenehm war und sie gingen in den Widerstand. Das Schild wurde entfernt. Ich arbeite weiterhin mit der Einrichtung zusammen und bemerke eine schrittweise diskriminierungskritische Auseinandersetzung. Es geht voran.

Ich arbeite in einer Kita in Neukölln (Berlin). Wir haben viele Kinder mit Migrationshintergrund. Fast alle Kolleg*innen gehen mit allen Kindern respektvoll um. Leider gibt es auch welche, die die Kinder mit Migrationshintergrund anders behandeln als die Kinder ohne Migrationsgeschichte. Es gibt auch riesige Unterschiede, je nachdem aus welchem Land die Familien kommen. Am meisten benachteiligt sind die Kinder aus arabischen und türkischen Familien. Benachteiligung nimmt viele Formen an:
• Die Art der Kommunikation mit den Eltern,
• Kommentare wie: „Na ja, was kann man da erwarten, der versteht sowieso nichts“ oder „Boah, die schon wieder“,
• weniger Dokumentation (z.B. Portfolio-Seiten, Einträge in Sprachlerntagebuch), die zu bestimmten Kindern gemacht wird,
• wenig Verständnis für die Lernprozesse und Besonderheiten von Zweit-Spracherwerb.
Ich versuche es anzusprechen, zu reagieren, ich versuche die Vorbild-Funktion anzunehmen und arbeite intensiver mit den „vergessenen“ Kindern. Ich und andere Kolleg*innen bringen Materialien zum Thema Rassismus ins Team. Das Team fängt langsam an, darüber zu sprechen, aber viele versuchen, es zu rationalisieren oder zu bagatellisieren.

Als Kleinfamilie waren wir mit unserem Kind, das im Einkaufswagen saß, in einer großen Lebensmittelkette beim Einkauf. Wir gingen ein paar Schritte Richtung Regal, um etwas zu holen, als unser Kind sagte: „Der Mann hat mir in die Haare gefasst“.
„Es hat ja so schöne Haare“, meinte der Kunde lächelnd.
„Sie aber auch“, meinte mein Freund, und griff ihm beherzt an den Kopf.

Ich habe selber als ein Mensch mit Migrationshintergrund Diskriminierung, Benachteiligung oder Ausgrenzung erlebt. Wenn man an seine eigene Schulzeit zurückdenkt, so wird einem bewusst, wie sehr Lehrer*innen einen beeinflussen können. Letztendlich begleiten sie uns tagtäglich in unserem Leben und geben uns das Gefühl, ein Teil der Gesellschaft zu sein oder nicht. Es ist enorm wichtig, wie man Kindern gegenübertritt und ihnen klarmacht, dass sie so gut sind, wie sie sind, und alles schaffen können, wenn sie nur wollen. Wir müssen die Kinder schon im Kitaalter stärken und sie zu selbstbewussten Menschen heranwachsen lassen. Sonst können und wollen sie nicht ein Teil dieser Gesellschaft werden und schotten sich immer mehr ab. Leider fängt es schon in der Kita an, dass Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt werden. Gerade hier ist es so wichtig, ihnen beizubringen, gegenüber Diskriminierung aufmerksam zu werden und sich und andere Kinder zu schützen bzw. sich zu wehren. Wir haben alle jeden Tag etwas dazu zu lernen und uns aktiv am Geschehen zu beteiligen. Wir können und dürfen nicht leise sein, wenn es darum geht, Kinder gegenüber Diskriminierung oder Rassismus im Alltag zu beschützen. Wir sind alle mitverantwortlich, was in Zukunft aus ihnen wird …

Neulich stieg ich aus dem Bus. Die Haltestelle war unmittelbar in der Nähe vor einer Verkehrsampel. Der Busfahrer schloss die Türen, obwohl er sah, dass eine Frau of Color, körperlich eingeschränkt, den Bus zu erreichen versuchte. Der Busfahrer hielt die Türen zu, obwohl er noch an der Haltestelle stand und die Ampel zeigte Rot. Die Frau hatte es inzwischen geschafft, an der Haltestelle zu sein und wollte in den Bus einsteigen. Der Busfahrer ignorierte sie. Ich forderte den Busfahrer auf, die Tür aufzumachen. Er weigerte sich und fuhr weiter. Ich ging zu der Frau und wir unterhielten uns.
Sie hatte das gleiche Gefühl, wie ich es hatte. Der Busfahrer hatte uns beide ignoriert. Ich blieb bei ihr bis der nächste Bus kam. Wir verabschiedeten uns.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Erzieher*innen oft an ihre Grenzen kommen und mit einigen Situationen überfordert sind. Ich versuche das Kind zu schützen und nicht vor anderen Kindern vorzuführen. Dann suche ich in einer ruhigen Minute das Gespräch gezielt mit der pädagogischen Fachkraft. Ich lasse ihr den Raum, sich selbst zu reflektieren und ich höre ihr zu.

Im Hort meines Sohnes lief im Computerraum sehr laute Musik. Ich habe die aufsichtsführende Person darauf hingewiesen, dass die Musik doch sehr laut sei und neben den Computerspielen wohl doch etwas zu viel Reizüberflutung wäre. Eine andere Person kam hinzu und meinte, es wäre gut, dass ich das anspräche, sie hätte auch schon gesagt, dass „diese“ [rassistische Zuschreibung] Musik leiser gemacht werden müsse. Auf meine Antwort, dass dies ein diskriminierender Begriff sei, der völlig fehl am Platz sei, erwiderte sie, dass ihr Vater das auch immer gesagt habe und sie nichts Falsches daran finden könne. Daraufhin bin ich direkt zur Hortleiterin gegangen, auf meinen Bericht hin meinte sie, dass der Person gekündigt würde.

Diskriminierung oder Ausgrenzung fängt leider schon im Kindergartenalter an. Wir erleben es immer wieder, wie auch Kinder mit Stereotypen gegenüber anderen Kindern auftreten. Vieles bekommen sie natürlich von zu Hause mit, wie z. B. geschlechterstereotypes Verhalten, und beginnen sich untereinander auszugrenzen oder zu beurteilen. Dann heißt es öfter, Jungs können keine Kleider tragen oder mit Puppen spielen, Mädchen spielen doch nicht mit Autos etc. Den Kindern wird schon im Kleinkindalter eingetrichtert, wie sie sich zu verhalten haben oder womit sie zu spielen haben. Hierbei finde ich es immer wieder wichtig, solche Themen nicht im Raum stehenzulassen, sondern mit den Kindern darüber zu sprechen, ohne dass sie sich angegriffen fühlen. Wir als Eltern, Pädagog*innen oder ein Teil der Gesellschaft sind nun mal Vorbilder und leben den Kindern alles vor. Wir müssen uns selbst reflektieren und uns unserer eigenen Vorurteile bewusst werden, nur so können wir die Kinder stärken und zu selbstbewussten Individuen heranwachsen lassen.

Ich sitze mit meiner Begleitung im Biergarten, entspannte Atmosphäre. Außer unserem ist nur noch ein weiterer Tisch besetzt. Es wird immer lauter, am Nachbartisch wird über Fußball gesprochen, es fallen homophobe, rassistische diskriminierende Äußerungen. Ich stehe auf, sage, dass ich mir so etwas nicht anhören möchte und verlasse das Lokal.

Mitbringen von entsprechenden Materialien/Büchern/Spielzeug zum Thema vorurteilsbewusste Erziehung/Rassismus in Kita und Schule; Gesprächsrunde mit Eltern der Kita zu den Themen (mit Selbsterfahrungsanteil); Gestaltung eines kleinen Projektes in der Schule.

Mein damals 3-jähriger Sohn trug gerne die abgelegten Röcke seiner älteren Schwestern. Eines Tages fragte ihn unser Nachbar: „Felix, warum trägst du einen Rock?“ Felix schaute an sich herunter und antwortete selbstsicher: „Alexa hat den Rock angehabt, Meike hat ihn angehabt und jetzt hab ich ihn an!“ Zu Fasching ging er damals als Dornröschen in die Kita. 🙂

Unsere Wohngegend besteht aus freistehenden Einfamilienhäusern. Wir wohnen in einem Haus mit Einliegerwohnung. Eines Tages schellte ein Nachbar des Nachbarhauses an der Tür und meinte, dass unsere Mieter – aus Syrien geflohene Minderjährige – doch einmal ein bisschen Vorgartenarbeit machen könnten. Ich war erstaunt und fragte: „Seit wann machst du dir Sorgen um unseren Vorgarten?“ Ich schaute in den Vorgarten eines weiteren Nachbarn – eine deutschstämmige Familie – und meinte: „Hast du bei denen auch schon geklingelt und sie zur Gartenarbeit animiert?“
(Anmerkung: So spontan, ein Thema weg von Rassismus hin zu einem anderen Thema umzudeuten, bin ich nicht immer und oft genug habe ich mich schon über meine durch Wut erzeugte Sprachlosigkeit geärgert.)

Sprachen unterliegen mancherorts immer noch einer Hierarchie in ihrer Wertigkeit. Wer entscheidet, welche Sprache wie wertvoll ist? Hier herrschen häufig immer noch strukturelle/institutionelle Vorgaben, die teils auch staatlichen/politischen Ursprungs sind. Hier ist das Aktivwerden wichtig, um deutlich zu machen, dass alle Sprachen wertvoll sind.

Schüler*innen berichten immer wieder, wie sie im Unterricht gezwungen werden, Stellung zu bestimmten Themen zu beziehen, da sie sich im Privaten vermeintlich auskennen müssten. Sie berichten, dass das Aktivwerden dagegen häufig ausbleibt, nur selten berichten sie, dass derartige Fremdbestimmung und Nötigung kritisiert wird.

In einer Kita, die ich als Fachberatung begleite, hat eine Mutter gegenüber der Leitung wiederholt ausgrenzende Aussagen gemacht: „Hier stimmt die Mischung der Kinder nicht. Es sind viele Kinder aus der Unterkunft für Geflüchtete.“ oder „Mein Kind soll in eine andere Gruppe gehen, hier kann es nicht gut gefördert werden. Diese Erzieher*innen können ja kein Deutsch.“ Die Leitung hat sich mit dem Team, mit den betroffenen Erzieher*innen, mit Vorgesetzten und der Fachberatung beraten. Eine Erzieherin fühlte sich stark angegriffen. Mit ihr und ihrer Kollegin wurde eine Einzelberatung durchgeführt. Das Team hat sich dafür ausgesprochen, gemeinsam Strategien zu entwickeln, um die demokratische Haltung der Kita nach Außen deutlich zu machen. Es wurde eine externe Trainer*in eingeladen, um mit dem Gesamtteam kurz- und langfristige Veränderungen zu planen.

Ich war selber früher übergewichtig, habe mal gut abgenommen, aber jetzt durch Corona auch wieder 10 Kilo mehr. Vor einigen Tagen sprach mich ein 4-Jähriger an und fragte: „Warum bist du so dick geworden?“ Ich war im ersten Moment „geschockt“, wenn man es so sagen kann, und habe dann gefragt, wie er darauf kommen würde. Ihm war es scheinbar etwas unangenehm. Ich habe dann vermutet, dass es an dem Kleid lag, was ich anhatte, da man beim Sitzen die Speckröllchen am Bauch gesehen hat. Ich habe ihn angesprochen und gefragt, ob er wegen meinem Bauch denkt, ich sei dick geworden. Dann habe ich das Gespräch in die Richtung geleitet, dass wir alle einen Bauch haben und die unterschiedlich aussehen. Manche sieht man durch ein Kleid durch, manche sind ganz flach. Und am Ende haben alle Kinder am Tisch ihren Bauch verglichen und waren „stolz“, dass alle etwas gemeinsam hatten. Ich denke, wenn man das Wort dick relativiert, kann man besser damit umgehen. Es gibt nun mal dicke und dünne Bäuche und das ist auch vollkommen okay so. Wenn man es einfach als optischen Unterschied erkennt und nicht reininterpretiert, dass sich eine Person ungesund oder gesund ernährt.

Ich denke, es ist endlich an der Zeit, das Thema Rassismus und Antidiskriminierung in den Lehrplan der Grundschulen aufzunehmen.

2016, als verstärkt die Kinder, die als Geflüchtete zu uns kamen, in die Kita gekommen sind: Hier war es erforderlich, umfassende Informations- und Aufklärungsarbeit zu leisten, um die Kitas vorzubereiten und zu unterstützen. Hier wurde sehr schnell deutlich, dass auch das Thema Rassismus und Diskriminierung in den Blick genommen werden muss, um zum einen das Ankommen zu erleichtern, für die, die neu in die Kitas kamen, aber auch die Aufnahme und Inklusion für die, die schon da waren, zu ermöglichen.
Rassistische Vorurteile und Gesinnungen brachen an vielen Stellen durch, die vorher nur verborgen waren.
Es war wichtig, Referent*innen zu qualifizieren, um die Kita-Teams zu begleiten, denn vieles war sehr unterschwellig und lediglich als ein ungutes Gefühl erkennbar. Es galt, eine Sprache zu finden und darüber ins Handeln zu kommen.

Kitalltag: In einer der Gruppen sah ich, dass ein Kind alleine auf dem Stuhl sah. Die Kindergruppe hielt sich im Garten auf. Ich fragte, was passiert ist. Es erzählte mir, dass er „Quatsch gemacht habe“ und nun hier sitzen muss. Ich sagte, dass ich es nicht Ordnung finde, dass er hier sitzen muss. Meine Kollegin kam dazu, sie versuchte ihre Handlung zu legitimieren. Ich bat meine Kollegin, mir und dem Kind zuzuhören (Dialog zwischen mir und dem Kind). Das Kind hatte den Wunsch nicht mehr auf dem Stuhl zu sitzen und in den Garten zu gehen. Das Kind ging in den Garten. Ein Tag später reflektierten wir (Ich und meine Kollegin). Wie es mir und ihr als Kind ergangen ist. Wie wir uns gefühlt haben, wenn Erwachsene uns bestraften. In der Teambesprechung bat ich alle Kolleg*innen über diesen Fall zu reflektieren. Ein kleiner Schritt zu weniger Adultismus im Kita-Alltag.

Pädagog*innen berichteten in Bezug auf eine angeordnete Schweigeminute, dass manche Jugendliche Gesprächsbedarf und auch Kritik geäußert haben. Offensichtlich war es Schüler*innen wichtig, zwar auch politisch korrekt zu bleiben, aber auch selbst in ihrer Betroffenheit gesehen zu werden. Pädagog*innen schilderten ihr Aktivwerden dahingehend, dass sie selbstbestimmte Austauschräume geschaffen haben oder auch im Klassenverband Raum für emotionale Trauerarbeit eingeräumt haben.
In Kitas können ähnliche Situationen entstehen, dass für Kinder Wichtiges ungesehen bleibt, während gleichzeitig von ihnen ein bestimmtes korrektes Verhalten gefordert wird. Hier ist Sensibilität gefordert mit der Frage: „Was ist dem Kind jetzt so wichtig, dass es nicht mitmacht? Was habe ich übersehen? Was steckt Emotionales dahinter?“

Mein 14-jähriger Sohn verfolgte heute ganz interessiert die Debatte um die Regenbogen-Beleuchtung der Allianz-Arena für die EM und erzählte mir dann ganz entsetzt von der Entscheidung der UEFA. Ich bin stolz, dass er hier bereits eine feste und tolerante Haltung hat und dafür auch einsteht, wenn es nötig ist, z. B. im Gespräch mit Freunden.